Juli

02.07.2011 Abfahrt ohne Ankunft

Nach nicht allzu großen Überredungskünsten meinerseits erklärt sich Jonathan bereit mich am heutigen Tag mit der Lady nach Kaplomboi zu begleiten. Wir verlassen Naivasha am Morgen um die Querfeldeinstrecke über Narok nach Sotik zu nehmen. Diese sind wir im letzten Jahr bereits gefahren und wurden hier zum ersten Mal „zum stehen gebracht“. Durch den damals einsetzenden Regen verwandelte sich die Piste in Schmierseife, trotz Allrad und Sperren ging nichts mehr. Regen befürchten wir für heute nicht, also machen wir uns frohen Mutes auf den Weg. Kurz nach Abfahrt auf schlechter Straße zwei junge Männer die sich an die Gurgel gehen. Ein LKW daneben mit weiteren zwei Männern die zuschauen. Wir hupen und schreien aus dem Fenster „Stop killing each other!“ Die Mann der den anderen im Schwitzkasten hat lässt los und ruft irgendetwas unverständliches, der gewürgte kommt auf uns zu gerannt. Ich gebe Jonathan zu verstehen weiterzufahren, nicht stehen zu bleiben, habe schon die schweißgebadeten Hände des Mannes auf meinem Oberarm, schiebe ihn weg, schließe das Fenster. Es ist ja so, dass wir diesmal nicht so weite Strecken fahren. Irgendwas um die 1700km haben wir in zwei Monaten auf die Uhr bekommen. Die meiste Zeit stehen wir rum und gehen anderen Projekten nach. Über schlechten Sprit habe ich mich ja auch schon ausgelassen. Ich sag nur soviel: Ich tank hier nur noch bei Total. Und zur Not bei Shell. Die anderen Buden können mich mal. Jedenfalls waren wir mit so einem Sprit-Gemisch (1/3 dubiose Bude, 2/3 Total) unterwegs und auf den Weg zu einem alten Projekt von Kathy. Natürlich suchen wir uns dafür die landschaftlich attraktivere Strecke ohne Asphaltoberfläche aus. Sind dadurch gut 300 Offroad-Kilometer. Die Bordstrombatterie war auch gut ausgelutscht, weil wir diese 3 Tage lang exzessiv mit unseren Rechnern genutzt hatten.

Die Fahrt fing ganz fröhlich an, bis auf einen Umweg von ca. 30km, da wir eine Abfahrt verpasst hatten. Aber insgesamt freu ich mich über den guten Sprit, den wir an dem Tag frisch getankt hatten. Denn das Klingeln vom Motor, das wir aufgrund des Treibstoffs der anscheinend weniger seriösen Tankstelle davor hatten, war größtenteils verschwunden. Wir fahren durch diese herrliche Landschaft, mal normales, mal tiefes Gelege, je nach Hügelverhältnissen. Zum Glück hatte es nicht geregnet, der Weg war betonhart, aber sehr buckelig. So, wie wenn man bei Windstärke 5 mit einem Schlauchboot auf die Idee kommt, die Kieler Förde zu verlassen. Es war also alles bei uns bestens durchgeschaukelt bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 km/h.

Nach ca. 1,5 Stunden Fahrt sagt Kathy irgendwo an einem schönen Punkt, ich soll mal anhalten, sie will den Lake Naivasha von oben fotografieren. Mach ich glatt, steure einen Stellplatz neben der Straße an und wundere mich ein bisschen über das leichte Stottern und von alleine ausgehen des Motors. Sie macht ihre Fotos, ein junger Ziegenhirte guckt uns zu, ich betätige lässig den Anlasser an…. JuckJuckJuck… meine Augenbrauen ziehen sich zusammen…. JuckJuckJuck… meine Mundwinkel wandern nach unten… JuckJuckJuck… ich lass den Starter los. Austausch betroffener Blicke. Noch mal das selbe. Wieder nichts. Der Ziegenhirte guckt weiter… Ich denk mir, "wahrscheinlich ist irgendwie der Vergaser abgesoffen, was weiß denn ich, verdammt, ich hab das nie gelernt. Keine Ahnung. Mal ne kurze Pause machen, abkühlen lassen, das wird schon wieder. Setzen wir mal einen Kaffee auf und versuchen es in einer viertel Stunde noch mal." JuckJuckJuckJukJukkJukBrummm. Nach einer Viertelstunde springt die Lady wieder an, aber nicht richtig schön und ich muss das Gas halten, damit sie nicht absäuft, ich lass sie ausgehen… Hmmmm. Mal die Motorklappe öffnen, Benzinfilter überprüft, Dämpferöl gecheckt und nochmals das ganze. Noch unwilligeres Starten und was sehe ich da - die Vergaser laufen über. "Scheißkram." Was tun..? Vor den Vergasern versuch ich mich immer zu drücken. Der Hirte hört nicht auf da rumzustehen und uns reglos anzugucken. Ich zieh den Telefonjocker. Wir haben in unserem Handy eine lokale Simnummer und unser Rechner ist mit einem Internetstick ausgerüstet. Wenn man nun eine Verbindung zum Netz herstellt, kann man über einen speziellen Prepaid-Web-Anbieter einen Rückruf zu einer x-beliebigen Nummer aufbauen. Ein Anruf kostet so in das deutsche Mobilnetz nur 15Cent pro Minute. Nur: a) der Rechner hat fast keinen Strom mehr b) die Bordstrombatterie ist ziemlich leer gelutscht und der Tiefentladeschutz piept bedrohlich und c) wissen wir nicht, wievielt Credit noch auf unserem PrePaid-Internetstick ist.

Also, alles auf eine Karte gesetzt und Vergaser-Einstell-Profi Köppi angerufen. Das Telefon klingelt ungefähr genauso lang, wie ich den Motor versucht hatte zu starten, bis mir die freundliche Standardstimme sagt, dass mein Gesprächspartner anscheinend gerade nicht erreichbar ist. Prima. Ganz groß. Echt. Wie ich das liebe. 40 km fahren und mit einer Panne liegen bleiben. Tolles Hobby hab ich da. Zum Glück hatten wir noch einen zweiten Telefonjoker und Jochen nahm das Telefon gleich ab. Nach kurzem Überlegen seinerseits die Diagnose - das Schwimmerventil muss hängen oder verdreckt sein. Wahrscheinlich hat sich da was durch die Offroad-Tour gelockert und sitzt nun dort fest. Eine kurze und präzise Anweisung, wie vorzugehen sei, mit dem wenig Hoffnung verheißenden Zusatz - ich weiß aber nicht, ob ihr die Dichtung in einem Stück runter und ihr anschließend den Vergaser wieder dicht bekommt. Na super. Zum Glück ist inzwischen der Hirte weg. Dafür werden wir für andere Menschen, die auf ihren Weg an uns vorbeikommen, zur allgemeinen Attraktion. Bestimmt hat die Kurve, in der wir stehen, schon einen neuen Namen: Die Kurve mit den beiden hilflosen Muzungus und dem kaputten Auto. Oder sinngemäß.

Die Schwimmerkammer vom ersten Vergaser bekomme ich ab, inkl. dem Restbenzin, der in ihr drin ist. Voll über Arm und Schulter, den Kopf dreh ich noch rechtzeitig zur Seite. Die nachgerüsteten Düsenstöcke sollte man dabei mit raus drehen, macht das Leben einfacher. Die Dichtung ist fast intakt, nur an einer Stelle angerissen. Dann komm eine kleine zierliche Welle, an der die Schwimmer dran sind. Die klinke ich mit einem Schraubenzieher raus dahinter dann das Ventil - ein kleiner Stummel. Lässt sich eigentlich gut bewegen aber ich schraube das Ding trotzdem raus und Kathy macht alles schön sauber. Schon erstaunlich, das da Dreck drin sein kann, wo doch zwei Benzinfilter vorher alles weg filtern sollten. Ich bau alles wieder ein und die Dichtung bekommt ein bisschen Silikon ab, damit sie auch in Zukunft weiter dichtet. Beim zweiten Vergaser das selbe Spiel, die Dichtung ist sogar komplett intakt; nur, es wird schon dämmrig, als ich wieder alles einsetzen möchte bricht ein gewaltiger Regenschauer aus. Ich fluche und will das unbedingt fertig bekommen, schließlich ist da Silikon im Spiel und der fängt schließlich an zu trocknen. Die Schrauben drehen aber teilweise nicht gut rein. Zwei lass ich raus, bin klitschnass und verkrieche mich bibbernd zusammen mit Kathy ins Auto. Jetzt wird es eh dunkel, der Tag ist gelaufen. Vorm Schlafen drehen sich meine Gedanken um den Wert der Einzelteile des Autos und ob ich nicht lieber alles verscheuern sollte. Schließlich hat man andauernd irgendwelche Pannen und außerdem hab ich wirklich nicht das nötige KFZ-Meisterfachwissen. Drecksscheiß.

Am nächsten Morgen also nochmals den zweiten Vergaser angeguckt, die Schrauben wollen immer noch nicht, wir gucken uns das an und siehe da, die Dichtung ist natürlich verrutscht. Vielleicht war es auch eine Schnapsidee, die bei einem tropischen Regen im Dunkeln und genervt sauber einsetzen zu wollen. Also Kammer wieder runter, die Silikonreste mit der Rasierklinge schabend entfernt, wie mir das der Harms beigebracht hat und nochmals das ganze Spiel sauber von vorne durchgeführt. Nun mit einem neuen Trick, zunächst die Dichtung auf der einen Seite mit Silikon festkleben und trocknen lassen, so dass sie nicht mehr verrutschen kann, bevor man die andere Seite auch damit einschmiert und einsetzt. Diesmal sieht das echt sauber aus.

Wir schmeißen die Lady an - so gut klang das schon lange nicht mehr. Schön. Freudig gucken wir uns an… Doch es fängt an zu tropfen und läuft dann sogar wieder über. Und zwar im Luftfilterkasten aus einem der Röhrchen, die irgendeine für mich unverständliche Bewandtnis mit dem Warmstart haben. (Zu Testzwecken hatten wir den runter) Es ist Sonntag, in Deutschland 7:30h und mir so völlig egal. Keine Ahnung was das sein kann, soll es mir doch der Jochen sagen! Nach dem fünften mal klingeln holt mich meine gute Erziehung ein und ich leg auf. Verdammt und nun? Wir schreiben Jochen eine lange SMS und warten. Trinken Kaffee und die Stimmung wird nicht viel besser. Aber die Gedanken werden klarer - wenn wir jetzt mit dem Jochen telefonieren sollten, wird der weitere Infos brauchen. Was können wir rausbekommen? Ich erinnere mich an den Schwall von Benzin, den ich am Tag zuvor abbekommen habe und so lassen wir nochmals durch das rausdrehen der Düseneinstellschrauben das Benzin aus den Vergasern ab. Der erste hat einen Benzinstand von 52ml, der zweite 60ml. Gemessen mit einer 2ml Spritze. Mit Achselzucken zur Kenntnis genommen. Die zweite Überlegung: Vielleicht ist der Druck zu hoch? Wir entfernen den Benzinzulauf vom FilterKing hin zu den Vergasern und lassen gurgeln, der Motor springt sogar an - und fördert mit seinem Restbenzin in einer knappen Minute locker 1/2l. Mag richtig sein. Keinen blassen Schwimmer, was da an Druck hingehört. Dann die dritte Überlegung - es muss ja was mit den Vergasern nicht stimmen - also, welcher von beiden ist der Schuldige?? Wenn man die Leitungen, die mit der nicht nachzuvollziehenden Funktion, im Luftfilterkasten von den Vergasern abzieht (man kann beim TGB1314 den ersten leider nicht direkt von hinten angucken) sollte man erkennen, bei welchen vom beiden das Benzin überläuft. Das Experiment zeigte eindeutig, der Zweite lief nicht über, bei einer Leitung vom Ersten kam aber ein fröhlicher Schwall raus. Also muss es der sein. Immer noch keine Reaktion aus dem entfernten Deutschland, also wieder runter unters Auto, ab das Ding und angeguckt. Der Stummel lässt sich ganz allerbest bewegen, da hängt nichts. Die Schwimmer pendeln auch schön hübsch hin und her. Alle prima. Irgendein Schaubild hatte ich mir am Tag vorher im Manual angeguckt, da ging es um Sollabstände von den Schwimmern in Bezug auf die Schwimmerkammer. Ich drück das Ding hoch und stell fest - der schließt das Ventil nicht! Der berührt den Stummel nicht, wenn der komplett oben ist. Was ne Scheiße! Dadurch steigt der Benzinstand und läuft über die zweite Bohrung in den Luftfilterkasten.

Zusammen mit Kathy guck ich mir das Manual an - Schritt eins, Vergaser ausbauen. Na das fehlt mir noch. Und zum Messen haben wir einen abgegammelten Zollstock dabei. Großartig. Das wird Präzision vom Feinsten. Ruhig bleiben. Können wir das von unten machen, auch wenn im Manual steht : AUSBAUEN! ?? Durchatmen, immer noch keine Reaktion aus Deutschland, ich sehe mich schon dabei, den ganzen Kram abzubauen, beim TGB1314 wirklich kein Spaß. Und schon gar nicht hier. Wir legen uns nochmals gemeinsam unters Auto, weil ich Kathy das mit den Abständen erklären will. Zeig ihr die Schwimmer, mit der Welle, wo man sie ausklinken kann, wie sie hin und her schwingen. Sieht alles richtig aus, ich bilde mir sogar eine leichte Verbiegung ein, drück mehr aus Frust links, nichts, rechts, klick. Klick?? Klick!! Zum ersten mal leichte Freude. Schwimmer hochdrücken - er schließt das Ventil. Anscheinend hatte ich am Tag zuvor die Welle nicht richtig eingeklinkt.

In Rekordzeit bauen wir die Kammer wieder ein. Und der Vergaser läuft nicht über. Fast 24h nach dem ersten Auftreten der Panne fahren wir wieder weiter, so richtig kann ich die Landschaft nicht genießen und schaffen es auch an diesem Tag nicht ganz zum Ziel, sondern müssen bei einer Kirche vorher übernachten. Am nächsten Tag werden wir überschwänglich begrüßt und alle freuen sich, dass wir angekommen sind. Gefühlte 100mal wird dabei dem Herrgott dafür gedankt, dass er uns heil zum Ziel gebracht hat. Ich hab ja nichts gegen den Glauben, aber - eine kleine Gratulation hätte ich auch gerne abbekommen und Jochen fand bei ihren Lobgesängen auch keine Beachtung…

04.07.2011- 12.07.2011 Kaplomboi

Zwei Tage später als erwartet treffen wir fix und fertig in Kaplomboi ein, die Lobgesänge der Schulklassen 1-8, der Lehrer, der Sisters und des Personals ließen uns aus und gingen an den Herrgott. Das Huhn und die Mandasi waren merklich für Samstag vorbereitet gewesen, nun gut, da können die ja auch nichts für... Den gesamten Tag werden wir von einer Klasse zur nächsten geführt, werden in die Sonne gesetzt um die eingeübten Willkommenslieder und Gedichte der Schule zu genießen. Wir verbringen die Tage mit Gesprächen, um zu überprüfen wie die teilweise von uns initiierten Projekte laufen. Mit Sister Regina versuchen wir zu erkennen, warum das im Januar 2011 vom Ministry of Water abgeschlossene Wasserprojekt noch nicht von der Community angenommen wurde. Ihre Meinung: Die Regierung hat das Projekt nicht gut aufgebaut. Sie haben den Brunnen statt 100 Meter nur 85 Meter tief gebohrt , statt eine elektrische Leitung für die Pumpe zu legen haben sie einen Dieselgenerator gebracht. Ihr Lösungsansatz: Die Regierung soll das ganze teure Gerümpel wieder abbauen und eine Handpumpe installieren. Wir versuchen rauszubekommen, wie viel Diesel denn überhaupt benötigt wird, um den installierten 10.000 Liter Tank zu füllen. Niemand hat eine konkrete Antwort. Der eine spricht von 500 KSH um 2000 Liter Wasser zu fördern bei einem Dieselpreis von 114 KSH pro Liter, der andere von 5000 Litern. Für uns ein ganz klares Ziel, dass die Community in der Lage sein soll, an diesem Punkt Wasser zu bekommen, zumal die Regenzeit bald vorbei ist und dann in diesem Gebiet die Probleme beginnen, die vorhandenen Quellen und Wasserlöcher austrocknen. Wir ordern gleich für den nächsten Morgen den Chairman (ähnlich wie Bürgermeister) um eine Lösung zu entwerfen, die Wasserkioske heißt. Wir bauen also eine kleine Hütte an der Straße, nicht auf dem Conventgelände damit dieses Projekt der Bevölkerung frei zugänglich ist, und legen eine Wasserleitung vom bereits vorhandenen Tank bis zu der 30 Meter entfernten Holzhütte am Straßenrand. Die Leitung bekommt einen Zähler, damit genau abgelesene werden kann, wie viel Wasser entnommen wurde und wie viel Geld am Abend in der Kasse ist. Denn die Menschen müssen, um den Diesel bezahlen zu können, 3 Shilling pro 20 Liter Wasser an einen Kioskeverwalter zahlen. Damit entsteht ein 100 % Gewinn, denn um 20 Liter Wasser zu pumpen wird Diesel im Wert von 1,5 Shilling benötigt. Mit diesem Gewinn wird der Verwalter bezahlt, der Generator gewartet und das für den Schreiner und den Wasserinstallateur von uns ausgelegte Geld an uns zurück gezahlt. Der Gewinn nach der Abzahlung an uns geht dann an die Community für weitere Projekte. Die Community ist begeistert von dieser Projektidee, trägt im laufe einer Woche alle benötigten Materialien zusammen, baut die Hütte und legt die Wasserleitung. Das benötigte Material decken wir durch eine uns zur Verfügung stehende Spende aus Deutschland ab, die Arbeitskraft wollen wir nur vorfinanzieren damit die erste Gewinnspanne kontrolliert ausgegeben wird. Wenn dies funktioniert sind wir guter Dinge, dass die Community es schafft weitere Projekte mit diesem Geld zu betreiben. Und da wir immer mal wieder in Kaplomboi vorbei schauen... Am Abend vor Aufbruch noch ein wichtiger Step: Wir berufen ein Meeting mit allen Partnern die dieses Wasser nutzen ein. Die Community, die Schule, der Priester, die Sisters, die Gesundheitsstation. Ein gerader Weg soll geebnet werden um das Projekt für alle gleichberechtigt zu öffnen. Ein Problem welches wir erkannt haben: Die Menschen sprechen kulturell bedingt nicht auf einer Augenhöhe miteinander. Aber um mit derart ungleichen Partnern ein Gesamtprojekt zu gestalten ist dies von Nöten und so wird bei kalter Cola und trockenen Keksen versucht ein Weg zu finden. Genau nach einer Woche wird also Wasser für die Bevölkerung zugänglich und wir sind am Vormittag nicht die ersten, die dieses Wasser in den Tank füllen... Im September werden wir erneut in Kaplomboi sein und sehen können, wie viele Menschen bereits Gebrauch vom Wasserkioske machen.

Stromausfall. Jeden Abend, mindestens für eine Stunde. Kenia erzeugt den größten Stromanteil aus Wasserkraft, da es derzeit zu wenig regnet und der Wasserspiegel sinkt limitiert die Regierung den Strom mit ihren Methoden. Wir sitzen zusammen mit drei deutschen Zahnärzten von der AZK und trinken Wein. Unterhalten uns über unsere Reise, das Leben, über Afrika. Der Strom kommt zurück, wir lassen die Lichter aus und sitzen bei gemütlichem Kerzenschein zusammen. Judith, unsere kenianische Köchin, kommt, ohne ein Wort zu sagen knipst sie das grelle Neonlicht an, pustet die Kerze aus und verschwindet. Ich rufe hinterher, dass wir die Kerze gerne anlassen würden, sie versteht nicht, will es auch nicht. Eine Eigenart, die ich als unglaubliche Bevormundung fühle, die die drei Frauen nicht verstehen. Die man vielleicht auch nur verstehen kann, wenn man sich länger in diesem Land aufhält.

Wir unterhalten uns locker mit Peter, einem jungen Mann der bei den Sisters das Gelände in Ordnung hält. Fragen ihn, was er macht, was er später mal machen möchte. Einfach so aus Interesse. Einige Tage später sitze ich mit Sister Rose zusammen, die nach einem langen Gespräch über die Maternity mit mir „über den Jungen“ sprechen möchte. Ich glaube es geht um Jonathan und bin gespannt was sie wissen möchte. Doch es geht um Peter. Der hat ihr erzählt, dass wir ihn über seine Zukunft ausgefragt haben und nun denkt wir würden ihn unterstützen wollen die Universitätsgebühren für die nächsten drei Jahre zu zahlen... Ich falle fast vom Glauben ab und lehne dankend mit den Worten ab, dass ich durchaus auch selber zusehen muss, wie ich meine Universitätsgebühren zusammen bekomme...

Die Geburtszahlen in der Maternity sind seit der Personalumstrukturierung nicht pralle gewesen. Doch heute dürfen wir zwei neue Kinder in Kaplomboi auf der Welt begrüßen. Einer Geburt kann ich beiwohnen. Ich habe selbst wenig Erfahrung in der Geburtenhilfe und lasse mir viel von Sister Rose zeigen und erklären. Sie macht tolle Arbeit, auch wenn manche europäische Hebamme hier bestimmt anderer Meinung ist. Aber es ist sauber und hygienisch, die Frau bekommt einen Tropf und schwarzen Tee zu trinken um die Wehen zu steigern. Auch wenn keine angenehme, warme Atmosphäre herrscht, wie ich sie mir für eine Geburt wünschen würde, ist eine Angehörige dabei die die Frau so gut es geht unterstützt und dann das Kind nach einem kalten Wasserbad (was angeblich gut fürs Kind sein soll???) stolz entgegennimmt, während die Frau gereinigt und versorgt wird. Die neue Mutter bleibt mit ihrem Kind sogar über Nacht mit einer Angehörigen und nutzt damit den eingerichteten Bettensaal.

12.07. - 15.07. Netzteilsuche

Der Strom hat hier so seine Schwankungen, die wir aus reiner Ignoranz nicht beachtet haben, ein Fehler, der uns nach Nairobi zurück führt. Nach einem erneuten Stromausfall ist leider das Netzteil noch in der Steckdose, als der Strom zurückkommt wird dieses zerstört. Da es natürlich den Applecomputer betrifft können wir nicht die vorhandenen Netzteile an irgendeiner Straßenecke erwerben sondern müssen unser Glück in der Hauptstadt versuchen. Google hilft unsere erste Angst zu mindern, in dem wir reichliche Applestores in der Stadt finden. In der Jungle Junction treffen wir auf vier Motorradfliegende Holländer, die wir schnell ins Herz schließen. Zwei von ihnen sind über den Iran nach Indien, haben von Malaysia aus nach Südafrika verschifft und dort auf ihre Freunde gewartet, die von Holland aus nach Südafrika verschifft haben um gemeinsam den Rückweg über Ostafrika zu bestreiten.

Im ersten Applestore am nächsten Tag gibt es zwar Netzteile, aber lediglich für 60 Ampere, wir brauchen 80 Ampere. Laut Aussage gibt es in ganz Nairobi keine 80 Ampere Netzteile. Zum Glück haben wir gestern diverse Nummern raus geschrieben und mit einem Vertrieb gesprochen, der den von uns gewünschten Artikel vorrätig hat. So kaufen wir nicht das eh 10 Euro teurere 60 Ampere Netzteil sondern versichern uns am Telefon erneut, ob der Artikel auf Lager ist. Ja. Dem Verkäufer des ersten Ladens scheint seine Behauptung von vor fünf Minuten überhaupt nicht unangenehm. Per Piki-Piki machen wir uns auf den Weg und haben nach knapp zwei Stunden Fahrt und Wartezeit den gewünschten Artikel in der Hand. Großartig!

18.07.2011 – 21.07.2011 Busy in Naivasha

Wieder tief in den Recherchearbeiten besuchen wir eine Schule, um hier mit den Lehrern über die Situation der Kinder von Blumenarbeitern zu sprechen. Außerdem versuchen wir unser Glück im „Office of the President“ (was ja doch sehr formell klingt) an allgemeine Statistiken über die Region zu bekommen. Der nette Mann strahlt übers ganze Gesicht, als wir im unsere Geschichte erzählen, doch helfen kann er uns leider nicht. Vorerst brauchen wir eine Bestätigung vom Ministerium, dass wir in dieser Region befugt sind Recherchen zu machen. Puh. Na gut, im Ministerium dann die Aussage, wir brauchen einen offiziellen Brief der Universität, die bestätigt dass Jonathan seine Magisterarbeit schreibt und nach Kenia geschickt wurde um hier zu recherchieren. Diesen sollen wir dann von der deutschen Botschaft beglaubigen lassen. Na großartig... Ich glaube seine Doktorarbeit wird Jonathan nicht in Kenia schreiben...

Die Fair Trade Blumenfarmen hingegen scheinen überhaupt gar keine Sorge zu haben, an wen sie ihre Statistiken und Informationen heraus geben. Solange es keine Journalisten sind, mit denen haben sie in den letzten Jahren ganz schön schlechte Erfahrungen gemacht. Auf der Panda Blumenfarm werden wir herzlichst von Joseph empfangen. Dieser schreibt uns ein Mamutprogramm auf, welches wir gleich ein wenig umsortieren - schließlich sind wir nicht wie alle anderen nur drei Tage vor Ort sondern noch bis Ende September.

21.07.2011 Malaria Klappe die fünfte

Am Vormittag sind wir auf der Panda Farm und machen Interviews mit dem Joint Body und der Workers Union. Ich habe Kopfschmerzen und unglaublichen Muskelkater in den Oberarmen, in den Beinen, im Bauch, jeder Muskel scheint spürbar. Ich schiebe dies auf den gestrigen Abend. Wir saßen gerade bei Kerzenschein am Abendbrottisch als zwei Motorräder vorfuhren. Wir dachten erst an Caroline und Bo, die beiden Engländer mit denen wir im letzten Jahr die Moyalestrecke zusammen gefahren sind. Denn die geistern seit ein paar Tagen auch in Kenia herum und wissen wo sie uns finden könne. Doch es sind zwei der fliegenden Holländer, Else und Mirelle, die eigentlich mit Anne und Reiner die Turkanastrecke in Richtung Äthiopien bezwingen wollten. Sie sind geknickt und erzählen, dass das Motorrad von Reiner einen Breakdown hat. Die beiden sind jetzt von Maralal aus per Autotransport mit ihren Motorrädern auf dem Weg gen Nairobi um hier Ersatzteile zu besorgen. Wir geben einen Rotwein aus, noch einen und noch einen. So erkläre ich mir meine Kopfschmerzen am nächsten Morgen. Am Nachmittag sind wir zurück, mein ganzer Körper schmerzt und ich fühle mich unglaublich schwach, lege mich hin und versuche zu schlafen. Der Muskelkater löst sich in Gelenkschmerzen auf und ich habe eine leiste Vorahnung was mir bevor steht... Es ist nicht meine erste Malaria, wir nehmen keine Prophylaxe und als meine Körpertemperatur die 38.0 Grenze überschritten hat werfe ich gleich ohne erst zum Arzt zu gehen Tabletten zur Behandlung ein. Eine gute Entscheidung, denn die folgenden Tage sind nicht zu dramatisch und es geht mir schnell besser.

28.07.2011 Drive-In-Market

Die Recherchen auf der Panda Farm waren sehr erfolgreich und spannend, wir konnten verschiedene Projekte besuchen, die vom Joint Body in der Bevölkerung von den Prämiengeldern initiiert werden. Eine so erfolgreiche Entwicklungshilfe haben wir auf unserer ganzen letzten Reise nicht gesehen!

Da wir unser Visum verlängern, unsere Ersatzteile aus dem Zoll befreien und unsere Gasflasche reparieren lassen müssen (seit zwei Wochen kochen wir auf einem einflammigen Kerosinkocher, kein Spaß sag ich mal so) machen wir uns mal wieder auf den Weg Richtung Nairobi- knappe 100 Kilometer.

Wir verlassen das Fisherman`s Camp und 10 Kilometer später streikt die Lady. Wir bleiben ruhig denn wir wissen sofort dass es sich nur um einen leeren Benzintank handeln kann. Also mache ich mich per Matatu mit Ersatzkanister auf den Weg in die Stadt zur nächsten Tankstelle und bin nach kappen 1,5 Stunden zurück. Das geplante Gespräch mit Joseph fällt dann dementsprechend kurz aus da wir seinen Feierabend nicht unfair in die Länge ziehen wollen. Na ja, wir sind ja noch ein wenig länger hier...

Auf dem Weg in Richtung Nairobi halten wir an der Straße in einem Dorf, in dem es unglaublich gute Gemüsequalität zu erwerben gibt. Und es gibt alles, von Kartoffeln, Wurzel, Erbsen, Auberginen, Paprika, Zwiebeln über Brokkoli, Pflaumen, Birnen. Der Einkauf funktioniert wie folgt: Es gibt keine Zeit zu überlegen, welches Produkt du benötigst. Wenn du am Straßenrand anhältst hast du dich entschieden, zu kaufen, was angeboten wird. Die Frau, die am schnellsten und lautesten ihren Preis in dein Ohr geschrien hat, hat fast schon gewonnen, außer wenn andere Frauen einen niedrigeren Preis in die Menge schreien. Beim ersten Einkauf bin ich noch ausgestiegen, wurde aber noch bei geöffneter Tür abgefangen und mit Plastiktüten voller Gemüse bedrängt. Nun bleibe ich einfach sitzen und habe so ein kleines Schutzschild gegen die Menge. Mindestens fünf Frauen die uns einen Eimer voller Karotten verkaufen wollen, zehn Frauen die frisch geschälte Erbsen in Tütchen abgepackt haben, Tomaten in Plastiktüten und Zwiebeln in Netzen die mir auf den Schoß fallen und für die ich nun in die Preisverhandlung gehe. Kleingeld zu haben ist ein Muss, denn die meisten Produkte bewegen sich am Verhandlungsende zwischen 50 und 100 Shilling. Und die Mengen sind gewaltig, doch einen halben Eimer Karotten wollen die Frauen nicht verkaufen, also nehmen wir einen ganzen. Kartoffeln? Nein, wir haben noch welche. Die Verkäuferin lässt nicht locker, obwohl wir schon sämtliche Gemüseauswahl in der Fahrerkabine auf der Motorenklappe verstaut haben. Erzählt uns dass sie doch ein Kind zu Hause hat, welches Milch und Proteine braucht, nicht nur Kartoffeln, sie hat aber lediglich diese und will 150 Shilling für einen ganzen Eimer ihres Gutes. Wir versprechen ihr auf der Rückfahrt nach Naivasha wieder zu kommen, in der Hoffnung bis dahin den letzten Eimer Kartoffeln bewältigt zu haben...

Vom Highway biegen wir die uns schon fast bekannte Straße Richtung Naivasharoad ab, ein starke Linkskurve der wir unbeirrt, von einer einspurigen Straße kommend, folgen. Auf einmal kommt uns in einer hohen Geschwindigkeit ein Auto entgegen! Da haben wir wohl endlich mal einen seitenverwcchsler im System. Jonathan kann gerade noch rechtzeitig das Lenkrad herum reißen, der uns entgegenkommende Wagen macht eine Vollbremsung und steuert an uns vorbei. Puh, Glück gehabt, nichts passiert. Wir fahren weiter gen Innenstadt, werden von einem silbernen Polo überholt, der vor uns eine harte Bremsung hinlegt. Jonathan ist wütend, ein Spiel welches uns hier allzu oft begegnet und oft ziemlich knapp ausgeht. Wir fahren weiter. Erneut werden wir überholt und ziemlich unsanft aus dem geöffneten Fenster bepöbelt, wir sollen gefälligst anhalten! Wir sind stutzig und fahren links an den Seitenstreifen. Ein übelst gelaunter Mann kommt ans Fenster und beschimpft uns, wir sind uns überhaupt keiner Schuld bewusst können nicht so schnell eine Verbindung unseres seitenverwechsler - Missgeschicks herstellen. Der Mann klärt uns wütend auf. Mit ruhiger Stimme versuche ich ihm zu erklären, er brüllt uns nur an, wir hätten einen großen Fehler gemacht und müssen dafür gerade stehen. Wir sind völlig entnervt nachdem wir die Situation ohne Geld lösen konnten und den Feierabendverkehr hinter uns gelassen haben, als wir durch das schwarze Tor der Jungle Junction rollen. Zur großen Freude springen uns die fliegenden Holländer wieder in die Arme, die sitzen noch immer mit Motorproblemen fest, ein kaltes Bier tut den Rest und der Tag wir mit drei roten Kreuzen aus dem Kalender gestrichen.

29.07.2011 That´s the system...

Per Public Transport, also überfüllten Kleinbussen oder schaukelnden Großbussen, von denen wir hoffentlich keinen Bandscheibenvorfall davon tragen werden, machen wir uns auf den Weg zum Immigration Office in der Stadt. Nairobis Innenstadt ist recht übersichtlich, modern und sauber, von den Außenbezirken mag ich das Gegenteil behaupten wollen. Im Immigration Office werden wir von einem Schalter zum nächsten geschoben, am Ende halten wir ausgefüllte Formulare in den Händen, auf die wir unsere Fingerabdrücke pressen, ein Passfoto heften und 2200 Shilling übergeben. Dann sind wir registriert als „Aliens“. In unserem Pass landet ein Stempel der besagt dass wir die Registrierung vollzogen haben, eine ID- Karte wird ausgestellt. „Ja, und wann bekommen wir diese?“ ist unsere Frage am letzten Schalter. „In sechs Wochen“ die Antwort. „Naja, aber wir verlassen das Land doch in 8 Wochen, da hat das doch keinen großen Sinn extra eine ID-Karte für uns anfertigen zu lassen.“ „That´s the system“ der Mann mit ernster Miene. Alles klar, also bis in sechs Wochen...