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August

01.-05.08.2011 A story behind the masterthesis

Es ist ja nun bekannt, dass Jonathan seine Magisterarbeit schreibt. Und was mache ich eigentlich??? Ich schreibe die Geschichte, wie diese Magisterarbeit eigentlich zustande kommt. Denn die ist am Ende fast spannender als das Ergebnis selber und sollte vom Prüfungsamt zumindest eine Anerkennung bekommen.

Also, da wir ja nun in Nairobi sind um unser Visum zu verlängern und endlich unsere Ersatzteile aus dem Zoll befreien wollen, nutzen wir die freien Tage um an Statistiken und Literatur zu kommen. In den Datenbanken verschiedener Universitäten hat Jonathan spannende Bücher gefunden. Ersteinmal geht es jedoch zur deutschen Botschaft, um hier das Bestätigungsschreiben der Leuphana Universität, dass Jonathan seine Magisterarbeit mit dem Titel XY schreibt, prüfen und abstempeln zu lassen. Das soll angeblich nötig sein, um mit den Herren der verschiedenen Ministerien in Naivasha in Kontakt treten zu können um an allgemeine Statistiken über die Region zu kommen. In die Botschaft unseres Landes in Nairobi darf nur eine Person, also Jonathan, da sein Name auf dem Brief steht, der unterschrieben werden soll. Ich warte draußen. Und warte. Und warte und friere, wir haben hier derzeit am Morgen 13-15 Grad, bewölkt und ein leicht kalter Wind. Kann man sich drauf einstellen wenn man ein derartig kaltes Wetter am Äquator erwartet. Anscheinend ist das auch hier neu, denn das Ufuta-Fett in dem zwei Liter Kännchen ist dem auch nicht gewachsen und wird hart. Nach gefühlten zwei Stunden kommt Jonathan lachend aus dem Sicherheitsnetzwerk und schüttelt den Kopf. „Die haben noch nie was davon gehört, derartige Briefe unterschreiben zu müssen. Und die meinen, dass allgemeine Statistiken, die nicht freiwillig raus gegeben werden wohl irgendwie nicht ganz koscher sein können...“

Also weiter in die Stadt. Wir finden den Hauptcampus der University of Nairobi und auch schnell die Hauptbibliothek, der Campus ist recht überschaubar. Die Security bittet uns um unseren Bibliotheksausweis. Den haben wir natürlich nicht, sind ja keine Studenten hier. Also auch kein Einlass möglich. Wir werden in den Administrationblock verwiesen, wo wir das Büro 218 aufsuchen sollen. Hier sitzt der zweite Chef der Uni, der verständnislos den Kopf schüttelt, uns aber bereitwillig einen handgeschriebenen Zettel mitgibt, auf dem er erlaubt dass wir am heutigen Tag die Bibliothek betreten dürfen. Damit lässt uns die Security am Gate passieren. Wir finden schnell den Standort des begehrte Buches – ein Glaskasten mit einer neuen Schranke, an der wir abermals abgefangen werden. Per stummen Handzeichen wird uns angedeutet, dass wir die Buchnummer auf ein Blatt Papier schreiben sollen, dieses reichen wir dann an den stummen Mann weiter. Der verschwindet und kommt kurze Zeit mit der veröffentlichten Magisterarbeit aus dem Jahr 2000, in der es über die Frauenquote in der Blumenindustrie in Naivasha geht, wieder. Wir fragen höflich, wo wir denn hier einige Seiten des Buches kopieren könnten, denn einen Kopierer haben wir nirgendwo entdeckt. Der Mann hat doch eine Sprache und die ist ziemlich deutlich: „ It´s illegal to make copies, the work is done by somebody and there is a copyright on. He can put you in jail if you make copies! It´s illegal!“ Jetzt sind wir sprachlos und versuchen gegenzusteuern. Seine erneuten Worte: „You sit there so that i can see you, leaf your ID here and you are allowed to make some notes, but than you return the book!“ lassen uns verstummen. Also sitzen wir mit der wirklich spannenden Arbeit in der grauen Bibliothek und schreiben nützliche Daten ab. Jonathan ist mäßig begeistert... Geschlagene zwei Stunden später hat das Personal an der Ausleihe gewechselt und wir probieren erneut die Frage einer Kopie zu stellen. Die Frau gibt uns auch den Hinweis, dass eine Kopie dieser Arbeit illegal ist, fügt aber hinzu: „But we can make an arrangement, just between me and you...“ Ähm, ja, und da sagt die doch glatt, wir sollen morgen um 9 Uhr wieder kommen, dann hätte sie die Arbeit für uns kopiert. Wir sind platt, nehmen dieses Angebot aber an und laufen lachend an den Schildern „No corruption on university ground!“ vorbei. Am nächsten Morgen erhalten wir das kopierte Buch mit 300 Seiten und zahlen lediglich die Kopiergebühren und einen minimalen Bonus von insgesamt 4,50 Euro. In der medizinischen Bibliothek, die leider am anderen Ende der Stadt liegt, dann eine noch bessere Geschichte. Natürlich brauchen wir hier eine neue Erlaubnis des Chefs, netterweise sucht die Leiterin vorerst ob das Buch, ebenfalls eine veröffentlichte Magisterarbeit aus 2010 über generelle Gesundheitsprobleme bei Blumenfarmarbeitern, vorhanden ist. Im Regal steht es nicht. Das Internet geht gerade nicht, so dass sie auch nicht sehen kann, wo sich das Buch befindet. Auch die Kopie ist nicht vorhanden. Spannend, denn die Arbeit darf ebenfalls nur innerhalb der Bibliothek genutzt werden, diese nicht verlassen. Zwei Tage später ist das Buch noch immer nicht gefunden, na ja, wir sind ja noch ein Weilchen hier...

Im Büro für Statistiken hingegen ein völlig lockerer Umgang mit veröffentlichten Daten und Schriftstücken. Nachdem wir die Eintrittsgebühr von 50 KSH pro Person bezahlt haben dürfen wir uns an sämtlichen Büchern bedienen und diese sogar zum kopieren mit aus dem Gebäude nehmen.

Generell sind die Kontaktknüpfungen für Jonathan doch recht mühsam, ich weiß nicht auf wie viele E-Mails, die er mit verschiedensten Anfragen bereits verschickt hat, keine Antworten erhält. Das ist verständlicherweise ziemlich frustrierend und dementsprechend verbringen wir hier auch einige Tage. Zumal wir noch immer nicht unsere Ersatzteile aus dem Container auslösen konnten und dies ein ebenso mächtiger Klotz am Bein wird. Nahezu jeden Tag führen wir Telefonate, die immer wieder eine andere Ausrede der Universität ergeben, warum der Container nicht ausgelöst werden kann. Und wir sind auf die Uni angewiesen, da diese offizieller Empfänger der Computereinheiten im Container ist und unsere Holzkiste nur einen kleinen Teil der Gesamtladung ausmacht.

Doch einige Kontakte ergeben gleich weitere, so wie die Bekanntschaft mit Dr. Harper von der University of Leicester. Per Zufall haben wir den Namen in einer „Brigitte“ Zeitschrift gefunden. Der Mann untersucht den See seit über 20 Jahren und scheint wirklicher Experte was die Veränderungen angehen. Wir haben das große Glück und können ihn hier in Naivasha treffen, welches weitere tolle Kontakte und Informationen zufolge hat. Dennoch - ohne Geld läuft hier wenig. Ob Workers Union, NGOs wie die KEWEEDO oder Naivasha... oder Arbeiter von Blumenfarmen, jeder streckt seine Hand aus und verlangt für gegebene Informationen „Pesa“. Ob für Kopien, Telefonate, Transport oder gar Schmiergelder für Ministerien. Und es ist verdammt schwer sich dagegen zu wehren, denn Jonathan braucht die Informationen. Er ist abhängig von der Gutmütigkeit der Menschen und nicht zuletzt vom Zeitmanagement der Leute, was fast noch anstrengender ist sich auf diese auf Dauer einzustellen. Aber auch die Geldreserven schwinden, denn wir haben keinerlei Unterstützung, wie die meisten hier anzutreffenden Studenten, von der Universität und müssen bislang für jede Nacht Campingplatzgebühren zahlen.

06.-14.08.2011 Heimweh

Es ist schön hier. Und ja, es könnte keinen besseren Ort geben um seine Magisterarbeit vorzubereiten als hier. Und ja, wir haben vielleicht ein wenig mehr Sonnenschein als der Sommer in Deutschland bringt. Wir haben eine tolle Unterkunft, genügend Wasser, sogar heiße Duschen und immer frisches Obst und Gemüse. Aber wir haben Heimweh.

Das mag zum einen an den ganzen Travellern liegen, die von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord reisen, die uns begrüßen mit den Worten: „Und, wo fahrt ihr lang?“ Unsere Antwort fällt da mittlerweile sehr flach aus. Klar ist es schön viel Zeit an einem Ort verbringen zu können, Zeit die sich die meisten Reisenden nicht nehmen und daher nie einen so tiefen Einblick ins Land bekommen wie wir jetzt. Aber es ist auch anstrengend. Eine andere Anstrengung als die, die wir auf der letzten Reise kennen gelernt haben. Durch unsere Tätigkeit sind wir auf die Gutmütigkeit der Menschen hier angewiesen, auf deren Zeitpläne, auf deren Verständnis. Und dies ist oft ein anderes als das unsere. Oft sind Tage, die vorerst voll mit Plänen waren, plötzlich belanglos, ernüchternd und fast langweilig, da alle drei geplanten Gesprächspartner doch noch etwas wichtigeres auf dem Terminkalender stehen haben. Wir planen morgen nach Nairobi zu fahren um die Ersatzteile endlich aus dem Container zu holen und bekommen am Tag dann die Absage, die Universität hat noch immer die benötigten Briefe nicht geschrieben. Alle Pläne haben wir gestrichen, nun also doch nicht... Zum heulen.

28.08.- 05.09.2011 Im Leben kann man gewinnen oder verlieren

Wir haben die Nase voll von unverständlichen Telefonaten mit noch unverständlicheren Aussagen und machen und kurz entschlossen per Matatu auf den Weg nach Kakamega um der Containerproblemgeschichte endlich mal ein Ende zu bereiten. Die Fahrt alleine ist schon abenteuerlich, erst auf Nachfrage bekommen wir mit, dass uns unser Fahrer nicht bis zum Endziel bringen wird wie versprochen, sondern uns in Kapsabet, ca. 80 Kilometer vor Kakamega in ein anderes Fahrzeug verfrachten will. Wir sind uns schon vor Ankunft sicher, dass dies nicht klappen wird da es bereits 20 Uhr ist. Wie gesagt so geschrieben und wir nehmen in Kapsabet ein lautes aber billiges Hotelzimmer. Am nächsten Morgen steht Kennedy, Projektpartner für das Computerprojekt, fast pünktlich vor der Hoteleinfahrt und wir fahren gemeinsam die Strecke bis Kakamega. Dort angekommen nehmen wir gleich die Ledersofa vor der Tür des Unipräsidenten Prof. Wangila in Anspruch und warten. Zwei Stunden später bekommen wir neben einem noch besser gepolsterten Ledersofa eine Tasse Tee im Bürosaal von Wangila angeboten. Nettes und belangloses Geplänkel, dann geht es zur Sache. Dreimal versucht Wangila uns aus seinem Büro zu befördern, wir bleiben standhaft und geben an, diesen Ort erst zu verlassen wenn wir das Containerproblem gelöst haben. Der eine schiebt dem anderen die Schuld in die Schuhe, aber am Ende sind die wirklich Schuldigen wie immer nicht anwesend und können daher nicht verurteilt werden. Nach zwei Stunden einigen wir uns, dass der schon vor über einem Jahr geschlossene Vertrag zwischen VfgJ und Universität, der von der Uni aufgesetzt worden ist, überarbeitet werden muss da dieser Fehler enthält die damals, trotz geleisteter Unterschrift vom Vertreter des Präsidenten (der mit im Raum sitzt), übersehen worden sind. Wir willigen ein da uns versichert wird dass damit das Problem gelöst und die Uni bereit ist den Container auszulösen. Wir vertrauen diesen Worten und lassen uns von dem nun unglaublich freundlichen Professor das Universitätsgelände zeigen und anschließend zum Mittagessen einladen. Am folgenden Tag lässt uns Kennedy hängen und warten, wir werden ungeduldig da auch wir mal wieder alle Pläne gekreuzt haben um diesem unsere volle Energie widmen zu können, und statt aktiv zu werden auf der Bank sitzen gelassen werden. Erst kurz vor Büroschluss lässt er sich blicken und bringt uns mit unserem ausgearbeiteten Kostenvoranschlag zum Professor Makhanu. Dieser widmet sich unserer natürlich keine Minute, wir bekommen schon vor betreten seines Büros von der Sekretärin zu hören, dass wir morgen wieder kommen müssen. Doch zur vereinbarten Zeit nach einer schlaflosen Nacht findet dieser unser Anliegen noch immer nicht behandlungswürdig und lässt uns erneut über seine Vordame ausrichten, am Nachmittag zu kommen. Kennedy wir nervös als wir uns nicht bereitwillig zeige diesen Ort zu verlassen. Die Konsequenz unserer Sturheit: Kennedy wir alleine in das Büro von Prof. Makhanu zitiert und kommt nach zehn Minuten blass und zusammen gesunken wieder raus. Dieser Professor versucht seine Position zu nutzen und droht Kennedy mit einer Suspendierung wenn er uns nicht im Zaum hält und wir hier nicht parieren. Da fällt uns nichts zu ein.

Diese Geschichte hat ihr Ende noch nicht erreicht und wird in den nächsten Tagen weiter verschriftlicht. Vielen Dank für Euer Verständnis!